Lassen wir zuerst einmal die Beschreibung des Verlages zu Wort kommen:
Geologie von Baden- Württemberg - die umfassende Darstellung der
Geologie, Struktur, Stratigraphie, Tektonik und der Naturressourcen
des Bundeslandes Baden-Württemberg. Seit der ersten Auflage 1964 hat
sich dieses Werk als Standardwerk etabliert und liegt nun in
vollständig neu bearbeitetet und aktualisierter 5. Auflage vor. Diese
berücksichtigt die umfangreichen Forschungsergebnisse seit Erscheinen
der 4. Aufl. (1991) und fasst den aktuellen geologischen Kenntnisstand
in einem einzigen Band zusammen.
Auf die einleitende Darstellung der mehr als zwei Jahrhunderte
umfassenden Erforschungsgeschichte folgt eine Übersicht der
Naturräume, des allgemeinen geologischen Aufbaus und der
erdgeschichtlichen Entwicklung Baden-Württembergs. Den Hauptteil des
Buches bildet, wie in den vorherigen Auflagen, die detaillierte
Darstellung der Gesteinsfolge des Landes und ihrer regionalen
Faziesentwicklungen. Dem Grundgebirge, dem nicht-metamorphen
Paläozoikum sowie dem Tertiär und der landschaftsgeschichtlichen
Entwicklung wird breiterer Raum gegeben als in früheren
Auflagen. Erstmals wird dabei die aktuell gültige, in den vergangenen
Jahren länderübergreifend abgestimmte stratigraphische Nomenklatur
verwendet.
Sedimentations- und Klimageschichte sowie die tektonische Entwicklung
des Landesgebietes werden ebenfalls ausführlicher erläutert. Dabei
werden die Zusammenhänge zwischen der Geologie Baden-Württembergs und
benachbarter Regionen berücksichtigt. Abschließend sind den
Wechselbeziehungen zwischen menschlicher Tätigkeit und ihren
geologischen Voraussetzungen eigene Kapitel gewidmet. Ein
detailliertes Register und umfangreiche Hinweise auf weiterführende
Literatur vervollständigen das Werk. Das Buch richtet sich dabei
sowohl an Wissenschaftler und Lehrer an Schulen und Hochschulen als
auch an Studierende sowie an alle erdgeschichtlich Interessierten, die
sich mit der Vielfältigkeit von Gesteinsaufbau und Fossilien des
Landes beschäftigen wollen. - Soweit der Verlag.
Die Aufgabe eines Rezensenten ist es nun zu untersuchen, ob die
Einschätzung des Verlages richtig ist oder nur werbewirksam formuliert
wurde: Da gibt es nicht viel zu untersuchen, denn es ist tatsächlich
so, dass hier nicht eine Altauflage ein bisschen verbessert wurde,
sondern ein völlig neues Werk entstanden ist - und dies auf
aktuellstem Stand und mit allerhöchstem Niveau. Das Buch enthält die
neuesten Forschungsergebnisse und ist erfreulicher Weise leicht lesbar
geschrieben. Sehr positiv fallen vor allen Dingen die vielen
stratigrafischen Übersichtsprofile, Darstellungen der
Mächtigkeitsentwicklungen der unterschiedlichen Faziesverteilungen und
der Paläogeografie auf, die das Verständnis der geologischen Prozesse
bedeutend erleichtern. Die eindeutig notwendige Umstellung der
stratigrafischen Bezeichnungen (Stichwort „Formationsbegriff") - für
einen Altgeologen manchmal sehr gewöhnungsbedürftig - ist textlich und
grafisch gut gelungen, wie auch die Darstellung der Unterschiede
zwischen Bio- und Lithostratigrafie. Viele Sonderthemen (Belastung
Altbergbau; Bergschäden durch Geothermie; Erdbeben u.v.a.) haben
Einzug in das Werk gehalten. Sehr stattlich ist das
Literaturverzeichnis mit 77 Seiten.
Was wäre verbesserungswürdig? Einige wenige Fotoabbildungen (Nr. 77,
87, 120) sind partiell etwas zu dunkel geraten und Abb. 122 ist wegen
der vielen Grauschattierungen unübersichtlich - sonst ist technisch
eine gute Qualität zu vermelden. Wenn nun der Rezensent doch noch ein
paar Anmerkungen machen zu müssen glaubt, so liegt dies eher daran,
dass jeder regional arbeitende Geologe über "sein" Arbeitsgebiet alles
Interessante vorzufinden wünscht - was aber in einer
Übersichtsdarstellung der gesamten Geologie von Baden-Württemberg aus
Platzgründen nicht immer möglich ist. So möge der geologisch am
Kraichgau und der nächsten Umgebung Interessierte die folgenden
Zusätze eher als Literaturhinweise für die Eigenrecherche annehmen,
denn als Kritik am rezensierten Werk:
S. 355 Küstenkonglomerat-Formation. Diese tritt, wie im Text erwähnt,
auch am Abbruch des Kraichgaus zum Rheingraben als
"Bohne-Konglomerate" auf, datiert dort aber ins Rupelium -
vgl. Aufschluß 37 (19S6), S. 137-148 S. 357 Frauenweiler Subformation:
Hier wäre die Erwähnung der Tongrube Rauenberg-Unterfeld mit ihren
vielen Fisch-, Insekten- und Vogelfunden (ältester Kolibri der Welt;
G. MAYR) angebracht gewesen, die schon zu Vergleichen mit dem
Weltkulturerbe Grube Messel führten; vgl. diverse Beiträge in der
Kaupia 17 (2010), S. 1-113 mit älterer Literatur.
S. 366/413 Löß: Mit nur zwei, teilweise sich thematisch sogar
überschneidenden Seiten ist das Thema "Löß" viel zu knapp abgehandelt,
da er ja nicht nur im Kraichgau landschaftsbildend ist. In den letzten
zehn Jahren sind von diversen Autoren (Antoine, Bibus, Frechen, Hatte,
Moine) über ein Dutzend Veröffentlichungen allein über das Lößprofil in
Nußloch erschienen, die zumindest ansatzweise hätten berücksichtigt
werden sollen; dass dies nicht geschah mag daran liegen, dass fast
alle genannten Arbeiten in der online-Landsbibliographie
Baden-Württemberg leider nicht gelistet, sie also nur Löß-Spezialisten
bekannt sind.
S. 422 Kalksinter: Hier ist die Liste um das Vorkommen von Binau am
Neckar zu ergänzen, das in spätstaufischer Zeit anscheinend kurzzeitig
sogar abgebaut wurde, vgl. Kraichgau 22 (2009), S. 197-200
S. 463ff. Vererzungen, Bergbau: Wiederum erscheint dem Rezensenten mit
nur drei Seiten das Thema zu kurz abgehandelt. Ohne Frage sind
Erzgänge etwas Geologisches und Jahrhunderte lang war der Schwarzwald
eine Bergbauregion.
S. 467/516 Bergbau Wiesloch: Im 11. Jh. war der Blei-Silber-Bergbau
bei Wiesloch der bedeutendste in ganz Süddeutschland und hat bis heute
große Auswirkungen, so z.B. Anbauverbote wegen der
Schwermetallbelastungen in weit umfangreicheren Größenordnungen als im
Südschwarzwald. Bessere Literatur zur Bergbaugeschichte: Zeitschrift
zur Geschichte des Berg- und Hüttenwesens 10 (2004), Heft 2: 4-26 und
zu den über 40 Quadratkilometer messenden, teilweise extrem hohen
Schwermetallbeiastungen: Handbuch Boden, Band 7 (1997; LfU), S. 1-191
S. 470 Bei der Gewinnung von Gips/Anhydrit wäre das Bergwerk Obrigheim
der Heidelberg-Cement AG nachzutragen.
Fazit: Jeder in Baden-Württemberg und angrenzenden Gebieten, der sich
mit Geologie befasst, muss "den alten Geyer/Gwinner von 1991" in
Pension schicken und sich diese neue 5. Auflage kaufen - so
umfangreich, aktuell und qualitätvoll sind die neuen
Darstellungen. Die 68 Euro sind gut angelegt; ich wünsche dem Werk
eine weite und schnelle Verbreitung.
Ludwig H. Hildebrandt
Kraichgau - Beiträge zur Landschafts- und Heimatforschung